Open Access
Issue
BIO Web Conf.
Volume 15, 2019
42nd World Congress of Vine and Wine
Article Number 04003
Number of page(s) 3
Section Safety and Health
DOI https://doi.org/10.1051/bioconf/20191504003
Published online 23 October 2019

In der Diskussion um die gesundheitliche Bedeutung des Alkoholkonsums wird häufig nicht oder nicht ausreichend zwischen moderatem Genuss und übermäßigem Konsum oder Missbrauch differenziert. Gängige Zufuhrempfehlungen im internationalen Raum definieren den moderaten Konsum mit einem „Drink“ pro Tag für Frauen und zwei „Drinks“ pro Tag für Männer, was einer Alkoholdosis von etwa 12 Gramm bzw. 24 Gramm pro Tag entspricht. Während hoher Alkoholkonsum toxische Wirkungen auslösen und das Risiko für zahlreiche nachteilige gesundheitliche Folgen, wie Alkoholabhängigkeit, Leberschäden und verschiedene Krebsformen erhöhen kann, geht leichter bis moderater Alkoholkonsum mit einer deutlichen Minderung des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Gallensteine, Osteoporose und Demenz einher [1].

Hinsichtlich des Krebsrisikos weisen Langzeitbeobachtungsstudien und Meta-Analysen dieser Studien dosisabhängig divergierende Ergebnisse aus: Jin et al. fand für leichten Konsum (bis zu 15 g Alkohol täglich bzw. ca. 150 ml Wein täglich) lediglich für Brustkrebs (+9%), für kolorektales Karzinom bei Männern (+4%) und für malignes Melanom (+44%) signifikant erhöhte relative Risiken [2]. Bei diesen Konsummengen hingegen waren die Risiken für Lungenkrebs (− 9%), Nierentumoren (− 10%) und Schilddrüsenkrebs (− 11%) signifikant verringert. In Bezug auf die Mortalität ließ sich lediglich für zwei Krebsformen eine leichte Risikosteigerung erkennen: Brustkrebs +9% und kolorektale Karzinome bei Männern um +11%. Aus dieser Meta-Analyse konnte geschlossen werden, dass sehr leichter bis leichter Alkoholkonsum auf die meisten Krebsformen keinen Einfluss hat und bei einigen, je nach Krebsentität, sowohl schwach positive als auch schwach negative Auswirkungen haben kann.

In einer weiteren Meta-Analyse zeigte sich eine J-förmige Beziehung zwischen dem Konsum alkoholischer Getränke und der Krebssterblichkeit [3]. Bei moderatem Konsum war die Gesamt-Krebssterblichkeit im Vergleich zur Abstinenz nicht erhöht. Bei leichtem Konsum, das heißt bis zu 12.5 g Alkohol pro Tag, war das Risiko sogar um 9% erniedrigt. Bei Verzehrmengen von mehr als 50 g Alkohol täglich erhöhte sich schließlich das Risiko signifikant um 31%. Nach der geschlechterspezifischen Differenzierung konnte die J-förmige Beziehung nur noch für Männer, nicht jedoch für Frauen gezeigt werden.

Der World Cancer Research Fond Report von 2018 wies für Alkoholkonsum ein überzeugendes Risiko für Mund-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhren-, Leber-, Darm-, und Brustkrebs (postmenopausal) aus und ein wahrscheinliches Risiko für Magen- und Brustkrebs (prämenopausal). Allerdings fand man die Evidenz für das erhöhte Darmkrebs-Risiko ab einem Konsum von über 30 g Alkohol pro Tag und für das erhöhte Leber- und Magenkrebs-Risiko erst ab einer Dosis von mehr als 45 g Alkohol pro Tag. Für die anderen, oben genannten Krebsformen wurde keine Schwelle angegeben [4].

Wein versus Bier und Spirituosen und das Krebsrisiko

Nur eine geringe Anzahl von Studien untersuchte bisher den Zusammenhang zwischen Weinkonsum und Krebserkrankungen. Der aktuelle WCRF-Report fand im Gegensatz zum Bier- und Spirituosenkonsum bislang keine überzeugende Evidenz für einen Zusammenhang zwischen Weinkonsum und Mund-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhren-, Magen-, Nacken-, Nieren- und prämenopausalen Brustkrebs [4]. Auch bei Darmkrebs war das Risiko bei Weinkonsum nur sehr leicht erhöht – und damit auch niedriger als das Risiko bei entsprechender Menge des Bier- und Spirituosenkonsums. Nur bei postmenopausalem Brustkrebs war das Risiko durch Weinkonsum leicht erhöht, während dies nicht für Bier- und Spirituosen gefunden wurde.

Bestätigt wird das nicht nachweisbare bzw. äußerst geringe Krebsrisiko bei leichtem bis moderatem Weinkonsum durch eine große Meta-Analyse (83 Langzeitbeobachtungsstudien) zur Gesamtsterblichkeit: hierbei war Weinkonsum in einer Menge von bis zu ca. 160 Gramm Alkohol pro Woche (ca. 13 Gläser pro Woche bzw. knapp 2 Gläser pro Tag), im Gegensatz zum Bier-und Spirituosenkonsum im Vergleich zu Abstinenz nicht mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert [5].

Mediterranes Trinkmuster schützt

Neben der Alkoholmenge spielen in Bezug auf das Krebsrisiko Lebensstilfaktoren, wie zum Beispiel eine frische, vollwertige Ernährung und Trinkgewohnheiten eine bedeutende Rolle. Einen weiteren, entscheidenden Einflussfaktor auf das alkoholassoziierte Krebsrisiko stellen zudem die „verzerrenden Faktoren“ (Confounder) dar. Dazu gehören neben dem Alter, Geschlecht, der Ethnie, dem BMI und dem Rauchen auch der sozioökonomische Status, körperliche Aktivitäten, die Zufuhr spezifischer Mikronährstoffe (z. B. Folsäure) und die Trinkmuster (z. B. täglicher vs. wöchentlichen Konsum, „Binge-Drinking“, etc.).

Günstige Effekte lassen sich vor allem dann beobachten, wenn ein „mediterranes Trinkmuster“ gepflegt wird. Es gibt heute einen weltweiten Konsens, dass die mediterrane Ernährung die gesündeste Ernährungsform ist. Dabei ist ein fester Bestandteil der mediterranen Ernährung auch der regelmäßige, mäßige Weinkonsum zu den Mahlzeiten. Alkoholexzesse werden vermieden.

In einer umfassenden Analyse werteten Dinu et al. 13 Metaanalysen von Beobachtungsstudien sowie 16 Metaanalysen klinischer Studien (RCT) mit insgesamt über 12.8 Mio. Patienten aus. Das mediterrane Ess- und Trinkmuster geht bei hoher Evidenz mit signifikant (p < 0.001) verminderten Risiken für kardiovaskläre und Krebserkrankungen sowie mit einer geringeren Gesamtmortalität einher [6]. Während hierbei für einen hohen Konsum und vor allem für den Alkoholmissbrauch deutlich gesteigerte Risiken für verschiedene Krebs- formen bestätigt werden konnte, fanden sich bei leichtem bis moderatem Konsum alkoholischer Getränke, und insbesondere bei Weinkonsum für einige Krebsarten sogar signifikant geminderte Risiken.

Mediterrane Ernährung mit Wein und das geminderte Krebsrisiko

Die Mediterrane Ernährungsweise ist die wissenschaftlich wohl mit Abstand am besten untersuchte Ernährungsform und gleichzeitig gilt sie als die gesündeste Kost. Zu den Hauptbestandteilen der Mittelmeerdiät zählen: hoher Konsum von Hülsenfrüchten, Gemüse, Getreide, Nüssen und Obst, Fisch, natives Olivenöl, moderater Konsum von Fleisch, Geflügel, Eiern und Milchprodukten sowie moderater Weinkonsum (zum Essen).

In Mittelmeerländern wie Italien, Südfrankreich oder Griechenland ist bekanntlich die kardiovaskuläre Sterb- lichkeit deutlich geringer als in anderen Nationen, was u.a. auf die traditionelle Ernährung zurückgeführt wird. Zudem haben in jüngerer Zeit epidemiologische Studien darauf hingewiesen, dass die mediterrane Kost ebenfalls mit einem reduzierten Krebsrisiko assoziiert ist, was ebenfalls mit der mediterranen Kost erklärt wird [7].

Bei der Überprüfung der einzelnen Komponenten der mediterranen Kost konnte eine aktuelle Metaanalyse von 83 Beobachtungs- und Interventionsstudien mit 2.1 Mio. Teilnehmern, die am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam durchgeführt wurde, zeigen, dass ein moderater Alkoholkonsum (meist Rotwein) im Vergleich zu einer übermäßigen Zufuhr bzw. im Vergleich zu Abstinenz sogar signifikant mit einem verringerten um 11% signifikant gesenkten Krebsrisiko assoziiert ist [8]. Eine weitere Meta-Analyse von 30 Langzeitbeobachtungsstudien fand überdies, dass täglicher, moderater Weinkonsum im Vergleich zu Abstinenz oder im Vergleich zu hohem Konsum mit einer um 14% signifikant gesenkten Gesamt-Sterblichkeit assoziiert ist – wobei der protektive Effekt des Weinkonsums stärker ausfiel als der Effekt der anderen typischen Komponenten des mediterranen Essmusters [9].

Dabei ist nicht endgültig geklärt, ob die zahlreichen beobachteten günstigen gesundheitlichen Effekte des leichten bis moderaten Weinkonsums – ohne das Gesamt-Krebsrisiko zu steigern – möglicherweise auf spezifische, im Wein enthaltene Nährstoffe zurück zu führen sind oder ob bestimmte Nahrungsmittel, die in vermehrtem Maße mit der mediterranen Kost zugeführt werden, eher dafür verantwortlich sind.

Fazit

Leichter bis moderater Weinkonsum zum Essen ist ein integraler Teil der mediterranen Ess- bzw. der Ernährungsgewohnheiten. Die beste verfügbare Evidenz stützt immer noch die Position, dass leichter bis moderater Weinkonsum zum Essen – im Rahmen einer mediterranen Ernährung – mehr gesundheitliche Vor- als Nachteile auslöst.

Abstract

How Big is the Cancer Risk With Moderate Wine Consumption as Part of a Mediterranean Type Diet?

Overdosing on alcoholic beverages is toxic and puts individuals at risk for many adverse health consequences, including alcoholism, liver damage, and variouscancers. However, the data on light to moderate alcohol consumption are controversial. While there is good evidence that light to moderate consumption is associated with a marked reduction in the risk of cardiovascular disease, diabetes, gallstones, osteoporosis and dementia, such moderate intake may increase the risk for some cancers. Referring to the latter, some experts and organisations have claimed that even one glass of wine per day is one too many.

This rather radical position is contradicted by an abundance of epidemiological studies focusing on the health effects of the Mediterranean diet. Low to moderate wine consumption during a meal is an integral part of the Mediterranean diet and eating pattern. The results of these studies have consistently shown that one to two glasses of wine per day in this context are not associated with total cancer incidence but may even be associated with a reduced cancer mortality.

The observed abundance of positive health effects of light to moderate consumption, while not increasing total cancer risk, may be at least in part, linked to the protective effects of specific nutrients in the wine as well as in the foods consumed with higher abundance in the Mediterranean diet.

The best evidence still supports the concept that light to moderate consumption of wine with meals – as part of a Mediterranean type diet and lifestyle – has more benefits than harms.

Literatur


© The Authors, published by EDP Sciences, 2019

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